Kolumne: Frauen – macht euch endlich selbstständig

Oktober 2017

Frauen – macht euch endlich selbstständig!

Von Sandra Pabst

Die digitale Welt bietet Frauen die besten Chancen, ein eigenes Unternehmen zu
gründen und ein selbstbestimmtes, freies Leben zu führen. Doch Deutschlands Frauen
verschlafen den Trend. Warum es sich lohnt, über den eigenen Schatten zu springen…

Sie heißen Angella, Fonta, Suzana. Sie kommen aus Uganda, Mosambik und den USA
und sind die Gewinnerinnen des F-LANE-Programms. Dabei handelt es sich um den
europaweit einzigen Accelerator, der ausschließlich Start-ups von und für Frauen fördert.
Wichtige Voraussetzung für alle Bewerberinnen: Ihre Idee sollte nicht nur sozial, sondern
auch profitabel sein. Finanziert wird das Projekt vom Vodafone Institut. Obwohl es seinen
Sitz im Herzen Berlins hat, stammen kurioserweise die meisten Bewerberinnen aus dem
Ausland. Unter den fünf Gewinnerinnen war nicht eine deutsche Jungunternehmerin.

Ein paar Hundert Meter vom Institut entfernt befindet sich das „Hotel Adlon“. Hier kürte
jüngst ein großes Familienunternehmen die „Managerin des Jahres 2017“. Den launigsten
Impulsvortrag hielt Thomas Sattelberger. Ausgerechnet der 68-jährige Ex-Personalvorstand
der Telekom las uns anwesenden Frauen die Leviten: Wir seien dabei, die digitale Revolution
und damit die Zukunft zu verschlafen. Schuld daran seien wir selbst. Denn die digitalen
Interessen der Frauen seien nicht da, wo sie sein sollten. Frauen spielten als Gründerinnen
oder Entwicklerinnen so gut wie keine Rolle. In der digitalen Welt würden Verhältnisse wie
in den 50er-Jahren herrschen. Dabei würden die Jobs der Zukunft hier entstehen.

Auch wenn wir es nicht gerne hörten: Der Mann hat recht. Noch nie war es so einfach, ein
Unternehmen zu gründen. Noch nie war es so preiswert, ein Unternehmen zu führen. Und
noch nie gab es dank der digitalen Technologie solche Möglichkeiten. Doch verbissen halten
die meisten von uns Frauen an den vertrauten Arbeitsformen fest. Es ist Zeit zum radikalen
Umdenken.

Das schlechte Image der Selbstständigkeit

Selbstständigkeit wird in Deutschland selten als positive Alternative zum Angestelltendasein
gesehen. Häme und Kritik sind schnell zur Hand, wenn es einmal nicht klappt. Wer es
schafft, hat oft mit dem stillen Vorwurf zu rechnen, nicht ganz koscher gearbeitet zu haben.
Weil nicht sein kann, was nicht sein darf. Selbstständigkeit gilt als anstrengend: „Selbst“ und
„ständig“ sei man dabei. Viele Frauen haben Angst vor Buchführung, vor „Mathe und den
ganzen Zahlen“.

Dabei erleben wir hautnah die stete Veränderung der vertrauten Arbeitswelt und
Arbeitsformen. Wer in Berlins schicker Mitte unterwegs ist, sieht täglich die Zeichen. Fast
jede Woche eröffnet irgendwo ein Co-Working-Space. Betrieben von amerikanischen Firmen
sind sie nichts anderes als Großraumbüros. Wer glaubt, Co-Working-Plätze werden nur von Freiberuflern oder Start-ups gemietet, irrt gewaltig. Immer mehr etablierte Firmen und Großkonzerne mieten ihre Mitarbeiter preiswert dort ein. Geregelte Arbeitsstrukturen lösen sich infolge neuer Arbeitstechnologien auf. Warum nicht gleich von Grund auf neu und zum eigenen Vorteil denken?

Wer etwas kann, sollte sich selbstständig machen

Selbstständigkeit ist die Form des Arbeitens, die noch am ehesten Freiheit und
Selbstverwirklichung im Beruf verspricht. Während viele Angestellte die Angst vor einem
Jobverlust umtreibt, können Unternehmerinnen mit mehreren Geschäftsfeldern dem Risiko
vorbauen.

Wer eine Idee hat, muss sich einzig und allein dem Markt beugen. Kein Chef oder intriganter
Kollege funkt dazwischen und verhindert, dass gute Ideen allein aus machtpolitischen
Gründen oder aus Konkurrenzdenken nie verwirklicht werden.

Alles, was ich als Unternehmerin tue, kommt ausschließlich mir zugute. Je mehr ich mich
kümmere, desto mehr profitiere ich von meinen Ideen und meinem Fleiß.

Unternehmerinnen können frei entscheiden, wann und wo sie arbeiten. Ein gute Variante,
um Familienleben und Job unter einen Hut zu bekommen, ist es allemal. Däumchen drehen
oder Endlosarbeit ohne entsprechende Gegenwert leiten zu müssen, ist für
Unternehmerinnen kein Thema.

Und wer es richtig anstellt, kann als Unternehmerin deutlich ein Vielfaches mehr verdienen,
als ein normaler Angestellter jeden Monat nach Hause bringt, und damit auch besser für das
Alter vorsorgen. Selbst wenn ich als Unternehmerin anfangs wesentlich weniger verdiene,
weil sich mein Business erst etablieren muss, wiegt die persönliche Freiheit viel auf.
Selbstbestimmtheit, eigene Entscheidungen zu treffen und aus eigener Kraft etwas zu
schaffen sind immens viel wert.
 
Noch nie war es so einfach, als Unternehmerin zu arbeiten

Die neuen digitalen Technologien bieten Frauen hervorragende Möglichkeiten,
unternehmerische Ideen in die Tat umzusetzen. Reisen, Kommunikation und Informationen
sind so preiswert und so einfach zu erhalten wie nie zuvor.

Per Mausklick können wir praktisch mit jedem Menschen dieser Welt Kontakt aufnehmen –
mindestens zu denen, die wichtig für uns sind. Preise für Produkte und Dienstleistungen
werden sekundenschnell recherchiert. Die sozialen Medien und digitalen Technologien
helfen uns auf der Suche nach der passenden Zielgruppe und bei der Vermarktung unseres
Angebots.

Die digitale Welt unterstützt uns, die eigenen Ideen und Visionen umzusetzen. Wer 200 bis
300 Euro monatlich für sein Hobby hat, kann dieses Geld sparen und etwa in den Aufbau
einer Website stecken. So lässt sich mit wenigen Hundert Euro eine eigene Firmenpräsenz im
Internet aufbauen.

Auch können dank des Internets (Zu-)Arbeiten problemlos ausgelagert werden, zum Beispiel
Assistenztätigkeiten. Teure Büromieten gehören dank Co-Working-Offices der Vergangenheit
an. Unzählige staatliche Förder- und Mentorenprogramme versorgen Selbstständige
kostenlos mit dem nötigen Know-how und helfen über finanzielle Engpässe der ersten Zeit
hinweg.
Wer eine gute Idee hat, kann leicht an Geld kommen, um seine Idee zu finanzieren. Auf dem
Markt ist genügend Kapital vorhanden.

30 Prozent schon ein Erfolg

Muss frau sich Selbstständigkeit leisten können?

Klar – die Arbeit sollte, ja muss erfolgreich sein, um eine gute materielle Grundlage zu
bilden. Doch auch Hybridlösungen sind denkbar: Wer nicht sofort aufs Ganze gehen will,
kann nebenbei beginnen, sich ein unternehmerisches Standbein aufzubauen und
Erfahrungen als Unternehmerin sammeln.

Wichtig ist die richtige Geschäftsidee: Gibt es irgendwo einen Engpass? Wie kann man das
lösen und wie damit Geld verdienen? Gut ist auch ein Nischenthema, denn dort liegen die
Erfolgschancen am höchsten.

All das haben übrigens Großbritanniens Frauen längst begriffen. Um in der Startup-Welt zu
bleiben: Während hierzulande magere rund 14 Prozent aller Startups von Frauen gegründet
werden, sind es laut des European Startup Monitors 2016 auf der Insel bereits 30 Prozent. Es
wird also Zeit, dass auch Anne, Friederike und Sophie endlich aufwachen und ganz vorn
mitspielen.

Die Autorin ist Kommunikationsberaterin und BILANZ-Kolumnistin.

Die Kolumne ist am 11. Oktober 2017 auf www.welt.de für das Wirtschaftsmagazin BILANZ erschienen.

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