Interview: Im Gespräch mit der BT-Abgeordneten Gyde Jensen
Gyde Jensen (28, FDP) über Journalisten und den Umgang mit sozialen Medien
PRINT&more: Seit 1994 gibt es den Welttag der Pressefreiheit. Ausgerechnet in der EU hat sich die Lage für Journalisten so stark verschlechtert wie nirgends sonst. Wie erklären Sie sich das?
GYDE JENSEN: Dieser Zustand ist nicht tolerierbar. Der aktuelle Bericht der Organisation Reporter ohne Grenzen ist ein Signal, sich innereuropäisch stärker für die Pressefreiheit einzusetzen. Wenn wir sehen, dass bei uns Grundwerte in Frage gestellt werden, müssen wir das Pflichtbewusstsein aufbringen, diese zu verteidigen.
PRINT&more: Wie beurteilen Sie die Situation in der Türkei, und was können Deutschland und die EU tun?
JENSEN: Spätestens, wenn die Türkei der EU beitreten will, muss Presse- und Meinungsfreiheit gewährleistet sein. Inhaftierte Journalisten benötigen ein faires Verfahren, eine Anklageschrift. Das sehe ich im Moment nicht. Es gilt, neben dem Zurückhalten von Beitrittshilfen, die Probleme immer wieder anzusprechen. Das ist Aufgabe der EU, doch Deutschland muss auch Spielführer sein.
PRINT&more: Welchen Einfluss hat der Bundestags-Ausschuss für Menschenrechte auf die Arbeit der Bundesregierung?
JENSEN: Wir zeigen anhand von Fallbeispielen Probleme auf, fordern von der Bundesregierung Berichte an, leiten diese an Abgeordnete weiter. Das Patenschaftsprogramm „Parlamentarier schützen Parlamentarier“, macht auf die Schicksale von Menschenrechtsverteidigern aufmerksam. Ich setze mich für den vietnamesischen Rechtsanwalt Ngyuen Bac Truyen ein, der wegen seines Einsatzes für Presse- und Meinungsfreiheit in vietnamesischer Haft sitzt.
PRINT&more: Deutschland selbst steht im Ranking der Pressefreiheit nur im Mittelfeld.
JENSEN: In Deutschland hat sich der Umgang mit Journalismus, mit Fakten und Recherche verändert. Der Beruf des Journalisten ist trotzdem noch immer sehr angesehen. Wir müssen Journalisten stärken, damit diese als vierte Gewalt ihre Kontrollfunktion gegenüber dem Staat ausüben können.
PRINT&more: Die Befürworter des neuen Netzwerkdurchsetzungsgesetzes wollen Hassbotschaften im Internet eindämmen, Medienvertreter sehen darin eine Gefahr für die Pressefreiheit. Wer von beiden hat recht?
JENSEN: Definitiv die letzte Gruppe. Es ist Kernaufgabe des Staates die Pressefreiheit zu schützen. Der Staat kann diese Pflicht nicht aus Unwissenheit oder Faulheit an Private abtreten.
PRINT&more: Wie lässt sich Hass in den sozialen Medien bekämpfen?
JENSEN: Für junge Menschen ist es normal, jederzeit Informationen zu bekommen. Was in den sozialen Medien fehlt, ist der unabhängige Qualitätscheck von Informationen und deren Wahrheitsgehalt. Die Medien- und Digitalkompetenz muss gestärkt werden.
PRINT&more: Welche Zeitschriften lesen Sie berufsbedingt, privat und welche würden Sie gerne lesen?
JENSEN: Ich lese Politik & Kommunikation, Business Punk und Cicero. Es gibt in Deutschland zum Glück eine Vielzahl an Zeitschriften, aus denen man auswählen kann.
PRINT&more: Was wünschen Sie sich von der Verlagsbranche?
JENSEN: Die junge Generation ist immer online, denkt international, kennt keine Grenzen. Warum also nicht mehr Artikel oder Kommentare ausländischer Journalisten in den hiesigen Medien veröffentlichen?
Das Interview führte Sandra Pabst und erschien in der PRINT&more, Ausgabe 02/2018